Die neue "Work-Life-Balance"
Herr Lesjak, Sie beschäftigen sich seit Jahren intensiv mit dem „New Work“-Konzept. Was ist mit dem Hype um die Work-Life-Balance passiert?
Lesjak: Das „New Work“-Konzept schließt eine gute Work-Life-Balance nicht aus. Im Gegenteil, es geht sogar einen Schritt weiter. Man darf sich in der Arbeit wohlfühlen. Dazu gehört die Möglichkeit der offenen Interaktion und Kommunikation genauso, wie Räumlichkeiten für Rückzug und Entspannung. Diese neuen Arbeitswelten beinhalten eine Vielzahl an unterschiedlichen Zonen und Settings, weg vom klassischen Schreibtischplatz hin zu mehr Selbstbestimmung, um auf sein eigenes Wohlbefinden, sein Output-Vermögen und seinen momentanen Bedarf reagieren zu können. Es entsteht ein höherer Kommunikationsanteil, der statt in geplanten Meetings in spontaner Begegnung stattfindet.
Muss dafür auch die Architektur flexibel sein?
Lesjak: Es geht immer um eine Harmonie von Mensch, Technik und Raum. Das heißt, es muss die Kultur da sein, die Menschen müssen wollen, und es muss die Technologie vorhanden sein, sonst ist die nötige Flexibilität nicht gegeben. Auch das Raumangebot muss flexibel sein, also mehr als bloß Arbeitsplatz, Kaffeeküche und Meeting Raum. Es muss auch Zonen dazwischen geben. Dazu zählen freie Kommunikationsbereiche, wie die Cafeteria, der Gemeinschaftsraum, lounge artige Zonen, die Date-Box oder ein Creative Lab genauso wie verschiedenste Rückzugsmöglichkeiten für ruhiges Arbeiten oder Entspannung. Diese Wahlmöglichkeiten machen den Arbeitsalltag dynamischer und interessanter.
Genügt es somit, einfach Räume und Technik zur Verfügung zu stellen, oder braucht das „New Work“-Konzept auch die Mitarbeit der Mitarbeiter?
Lesjak: Auf jeden Fall, eine aktive Beteiligung der Mitarbeiter ist wesentlicher Bestandteil des Konzepts. Wichtig ist aber, dass man den Mitarbeitern auch die Chance dazu gibt. Dazu zählt die Mitgestaltung in der Planungsphase genauso wie eine gelebte Philosophie in der Unternehmensführung. „New Work“ heißt aber auch mehr Eigenverantwortung beim Mitarbeiter, die neuen technischen und räumlichen Möglichkeiten anzunehmen und den Arbeitstag individuell für sich zu gestalten. Das kann für den Mitarbeiter bedeuten, dass er sich ganz neuen Herausforderungen stellen muss.
Welche Herausforderungen können das sein?
Lesjak: Ein wesentlicher Punkt ist zum Beispiel die Akustik. Eine schlechte Akustik wirkt sich nachweislich negativ auf das Wohlbefinden aus, sie macht müde und ist schlecht für die Nerven, da diese ständig belastet werden. Um das abzufangen, werden alle Räume hoch absorbierend und mit Akustikelementen aus gestattet. Wichtig ist hier natürlich auch, dass der Mitarbeiter die Rückzugsbereiche nutzt, wenn er ungestört einer Tätigkeit nachgehen möchte, und auf der anderen Seite Besprechungen in den Zonen abhält, die dafür vorgesehen sind. Das spielt sich mit der Zeit ein, und Schritt für Schritt steigt auch das Wohlbefinden.
Auf was wird – neben der Akustik – noch besonders geachtet?
Lesjak: Früher gab es die Optimierung der kurzen Wege, alles musste griffbereit sein. Mittlerweile weiß man, dass es viel besser ist, zwischen durch ein paar Meter zu gehen. Das hält fit und schafft die informelle Kommunikation zwischendurch, was wiederum viele klassische Meetings, die im Sitzen abgehalten werden, überflüssig macht. Die zusätzlichen Settings wie Stehtische, Couchsessel oder Sofas erweitern die räumlichen Möglichkeiten zu arbeiten nochmals. Davon profitiert auch die Gesundheit. Weiters sehr wichtig ist die richtige Beleuchtung, vor allem der Umgang mit dem Tageslicht. Um ein Optimum herauszuholen, wird mit verschiedensten Lichtstimmungen und -farben sowie der Tageslichtführung gearbeitet. Eine ganz interessante Entwicklung wird im Laufe der nächsten Jahre auch auf den Arbeitsplatz kommen, und zwar Beleuchtung, die die natürliche Lichtfarbe im Verlauf des Tages mitmacht.
Das ist natürlich optimal für den Biorhythmus. Aktuell wird diese Beleuchtung schon in Intensivstationen angewandt und ist nachweislich von Vorteil für die Heilung. Es geht oft auch um den Umgang mit Farben, die ja psychologisch wirken. In unseren Konzepten gibt es weitgehend gedeckte Farben, aber auch Kontraste, und vor allem gibt es immer Farbakzente. Das Spiel mit Farbe und Hell-Dunkel- Kontrasten wirkt sich nach unseren Erfahrungen sehr positiv aus. Es soll ein Wechsel sein, zwischen Stimulierung und Entschleunigung.
Da wir gerade bei Farben sind: Wie wichtig ist Grün, also Pflanzen, in einem Konzept wie diesem?
Lesjak: Der Bedarf an Pflanzen ist definitiv da, und so ist es ein ganz wesentliches Thema, das wir auch immer miteinzuplanen versuchen. In Bezug auf das Wohlbefinden ist es manchmal schwer zu trennen, was atmosphärisch angenehm ist und was tatsächlich das körperliche Wohlbefinden fördert. Für mich gehört eine wohltuende Atmosphäre auch immer zur Gesundheit dazu, und somit auch Pflanzen. Es gibt aber noch einen zweiten Grund, der für Pflanzen im Arbeitsbereich spricht: Sie sind wichtig für das Raumklima und die Luftfeuchtigkeit. Vor allem die Green Wall ist da eine perfekte Möglichkeit. Sie sieht nicht nur schön aus, sondern sie absorbiert den Schall, befeuchtet die Luft und wirkt beruhigend.
Kann man sich diese neue Arbeitswelt auch für Apotheken vorstellen?
Lesjak: Wir machen ja auch „New Banking“. Die Bankfilialen haben sich durch Onlinebanking massiv verändert, und man will den Kontakt zum Kunden nicht verlieren. Die neuen Filialen sehen komplett anders aus, den klassischen Kassaschalter gibt es nicht mehr. Es war sehr wichtig, unterschiedliche Begegnungssettings zu planen, um auf verschiedenen Ebenen mit den Kunden kommunizieren zu können, je nachdem wie privat der Kontakt sein muss. Das reicht vom betreuten Selbstbedienungsfoyer über das Kaffeehaus bis zum Eventbereich. Das Gleiche könnte man für Apotheken überlegen. Gerade dort ist es oft unangenehm, wenn man vor fünf anderen Kunden seine Beschwerden aussprechen muss. Meistens braucht es für eine Veränderung irgendeinen Druck, wie z. B. die Konkurrenz durch die Online-Apotheken. Sobald die Kommunikation und persönliche Beratung einen anderen Wert bekommt, muss die Veränderung des Raums miteinbezogen werden. Wir planen ja auch Krankenhäuser, da haben wir ein sehr erfolgreiches Projekt am LKH Feldbach. Die neue neurologische Ambulanz sieht überhaupt nicht mehr aus wie ein Krankenhaus, eher wie eine cleane Hotellobby. Dort fühlt man sich dann nicht mehr wie im Krankenhaus, die Leute lieben das. „New Healthcare“ sozusagen.
Fotos vom Grazer Projekt "Promedico Headquarter" finden Sie auf www.promedico.at.
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Einzelnachweise
- Projektefotos © paul ott photografiert /
- Interviewfotos © Sarah Braun